#59 Flittertage in Hoi An

Wir wussten, dass unsere Unterkunft in Hoi An weit außerhalb liegt, aber wir haben uns nach etwas Erholung gesehnt. Es dauert nur 10 Minuten mit dem Fahrrad in die Stadt. Die Räder sind bei der Pension sogar inklusive. Unser Taxifahrer hält vor einem kleinen Hotel. Wir sind uns sicher, das Haus sah auf den Bildern ganz anders aus. Unsere Navigations-App zeigt uns wir müssen ein paar Straßen weiter. Wir sind hier falsch! Der Taxi Fahrer dreht, fährt nach unserer Navigation, lenkt sein Auto durch eine schmale Gasse, wir halten. Laut Navi sind wir hier richtig. Wir schauen aus dem Fenster, hoffentlich ist es das nicht! Es sieht unaufgeräumt aus, ist ein wenig in die Jahre gekommen und wo ist der versprochene Pool? Der Taxi Fahrer ruft bei unserer Unterkunft an, wir drehen um und halten erneut am ersten Haus. Der Taxi Fahrer hatte Recht und trotz einer Entschuldigung unsererseits bleibt er unfreundlich. Er kann es gar nicht erwarten unsere Backpacks aus dem Kofferraum zu befördern. Es folgt eine knappe Verabschiedung, wir fühlen uns, als hätten wir die Zeche geprellt.

Unsere Gastgeberin empfängt uns glücklicherweise freundlich. Das Zimmer ist himmlisch. Es liegt im Hinterhaus, daher auch die Verwirrung durch die Fotos. Es hat ein Fenster in Richtung der Bananenpflanzen auf dem Nachbargrundstück. Wir laufen mit „Ahhs“ und „Ohhs“ durch das Zimmer, das Bett ist sauber, wir sind mehr als zufrieden. Nachdem wir per Lieferdienst Abendessen bestellen konnten, dürfen wir während der Wartezeit duschen und in gemütlichere Kleidung schlüpfen. Das Essen ist gut, wir staunen auch im Rückblick noch einmal über die unglaubliche Organisation der Motorrad Tour und strecken uns dann endlich auf den Betten aus. Während wir die erste Folge unserer Serie schauen, hört Jasmin ein kratzendes Geräusch. Es dauert gar nicht lang, bis wir die Quelle finden. Die Gardinenstange hat einen Holzwurm. Er scheint sich bereits dick und rund gefressen zu haben, denn die Halterung ist mit Rissen durchzogen. Auf dem Boden türmt sich ein Haufen an Sägespänen. Der Holzwurm an sich stört uns nicht, aber sein unbändiger Hunger ist doch ein wenig störend. Er scheint sich ein fünf Gänge Menü zu gönnen, das auch ihn zum Glück Stunden später schläfrig werden lässt.

Den ersten Tag in Hoi An wollen wir nur entspannen, ein kleines Mittagsschläfchen halten und die Füße in den Pool hängen. Der Holzwurm hingegen scheint Großes vorzuhaben. Er nagt und nagt. Jasmin zeigt der Empfangsdame die Gardinenstange, in der Hoffnung auf etwas Insektenspray oder Ähnliches. Sie nickt verständnisvoll und gibt und uns direkt ein anderes Zimmer. Okay, dann eben so. Es liegt leider nicht im Hinterhaus, sondern über dem Eingang zur Straße, schön verglast und gut einsehbar für die Nachbarn. Vielleicht war der Holzwurm doch kein schlechter Zimmergenosse. Das Zimmer ist deutlich abgenutzter, das Bad schimmelt deutlich stärker, der modrige Geruch ist unangenehm und der Duschkopf ist an den 10 cm zwischen Toilette und Waschbecken angebracht. Gar keine Frage die Unterkunft ist günstig. Es dreht sich hier definitiv nicht um den Preis. Das Zimmer wäre als Schlafgelegenheit an Sightseeing Tagen super, aber nicht um zu entspannen.

Der erste Tag verstreicht unter Baulärm. Neben dem Pool wird ein Loch gegraben, drei Bauarbeiter basteln den ganzen Tag an irgendwelchen Leitungen. Jasmin schmollt, sie möchte nicht im Bikini nebendran liegen, schließlich ist der Pool nur zwei Schwimmzüge groß. Unser Abendessen genießen wir heute außer Haus. Am Flussarm nebenan scheint eine Kochschule inklusive Restaurant zu sein. Wir sind die Einzigen auf der Terrasse, das Essen ist wirklich frisch und der Blick fantastisch.  Auch den zweiten Abend müssen wir unser Zimmer teilen, diesmal mit einem Lizzard.  Gab es davon deutlich mehr auf Sri Lanka und haben wir dort auch des Öfteren mit ihnen im gleichen Zimmer geschlafen, ist dieser hier deutlich aktiver. Trotz Besen und Fangbehälter bekommen wir ihn nicht hinter dem Fernseher hervor. Erst nach Abbauen des Bildschirms wird klar, er ist getürmt – durch die Steckdose in die Wand. Wir hören ihn die holen Wände entlanglaufen. Zum Glück haben wir in unserer Notfallapotheke Pflaster dabei. Kurzerhand kleben wir das Loch zu. Klimaanlagen werden hier offensichtlich mit einem Presslufthammer an die Wand montiert. Das Loch, welches hinter dem Gerät hervorragt, stopfen wir mit einer Plastiktüte. Zimmer zurückerobert. Jasmin scheint in der folgenden Nacht nicht nur den quiekenden Lizzard im Schlaf zu hören, sondern auch vom nagenden Holzwurm zu träumen.

Am nächsten Morgen ist das Geräusch nicht verschwunden. Sie öffnet die Augen. Die Kekspackung auf dem Nachttisch neben ihr schüttelt sich selbstständig hin und her. Sie quietscht. Ein Lizzard streckt den Kopf heraus, flitzt die Wand hoch und verschwindet in der nächsten Steckdose. Das ist zu viel, beim Teilen der Kekse hört der Spaß auf. Dominik nimmt es gelassen, Jasmin möchte das Hotel wechseln. Ein paar Stunden später durchforsten wir die Portale und entscheiden uns nach langer Suche für ein Honeymoon Domizil in Zentrumsnähe. Könnten unsere Flitterwochen mit 9 Monaten Reisezeit kaum cooler sein, haben wir bislang noch keines dieser typischen Strandhotels gebucht. Wir bedanken uns bei unseren derzeitigen Gastgebern. Finden wir Preis und Zimmer mehr als angemessen, ist es einfach nicht das, was wir gerade brauchen.

Ein Taxifahrer bringt uns zur neuen Unterkunft. In einer belebten Straße hält er an und deutet auf einen schmalen Eingang. Wir schütteln den Kopf, das sah aber auf den Bildern ganz anders aus. Offensichtlich haben wir nichts aus der vorherigen Fahrt gelernt. Der Fahrer schmeißt uns unter lautstarkem Monolog tatsächlich aus seinem PKW. Ein wenig sehr schroff, wie auch er schnell merkt. Er entschuldigt sich und versucht Jasmin noch ein Lächeln abzuringen. Wir sind ein wenig erschrocken über den harschen Ton, haben wir die Vietnamesen bisher als offenes und freundliches Volk wahrgenommen. Die Dame des Hauses empfängt uns auch hier mit einem Lächeln. Es dauert keine Minute, da halten wir ein Passionsfrucht-Begrüßungsgetränk in unseren Händen. Wir sollen Platz nehmen und obwohl wir zwei Stunden zu früh sind, dürfen wir nur wenig später einchecken. Das Zimmer duftet himmlisch, das Bett ist mit Rosenblättern und Handtuchschwänen dekoriert, im Waschbecken treiben Blüten, es ist angenehm kühl – perfekt.

Unser Hotel liegt hervorragend. Es sind nur wenige Gehminuten in die Altstadt. Der Pool ist versteckt im Innenhof, trotz großer Straße ist es relativ ruhig, die Terrasse vor unserem Zimmer lädt zum Verweilen ein, dennoch erkunden wir heute endlich Hoi An. Auch wenn die Mittagshitze glüht, verzaubert die Stadt. So viele Touristen haben wir zwar seit Wochen nicht gesehen, aber für unsere Flittertage ist uns das egal. Kitschig ist gerade wichtiger als das Reiseabenteuer. Und so plätschern die nächsten Tage in dieser märchenhaften Atmosphäre nur dahin. Wir spazieren durch die gelben Gassen, genießen die erleuchtet Stadt am Abend, finden ein zauberhaftes Cafe mit frischen Sandwiches und den liebgewonnen Smoothies, speisen abends am Fluss während zahlreiche Ruderboote mit Touristen in Schwimmwesten an uns vorüber fahren, hüpfen ganze zwei Mal in den Pool und verbringen stattdessen mehr Zeit auf den Liegen davor, treffen Nathan von der Mekong Fahrt zum Abendessen, schleppen uns in der Mittagshitze von Schneider zu Schneider und lassen uns in der Stadt der maßgeschneiderten Kleidung ein Leinenhemd und -kleid nähen.

Wir stehen am nebligsten Tag um 06:00 Uhr auf, um Fotos von der Altstadt ohne Touristen zu knipsen. Wir stehen plötzlich auf dem Markt und sind tatsächlich die einzigen Touristen. Dominik macht eine kleine Radtour ans Meer, Jasmin bekommt die unglaublichste Massage ihres Lebens. Unseren letzten Abend verbringen wir bei dem vermutlich geschmacklosesten Essen unserer Reise, irgendwie beruhigend, dass es auch so was in Asien gibt und schon packen wir wieder unsere Backpacks.

Nach Ho Chi Minh fliegen wir tatsächlich. Statt für 160 Euro für eine 17 stündige Fahrt mit dem Nachtzug, fliegen wir für 80 Euro in 1,5 Stunden mit einer guten Air Line. Dominik hat am Vortag einen Flughafen-Shuttle organisiert. Als ein SUV mit getönten Scheiben vor dem Hotel hält, können wir nicht glauben, dass das tatsächlich unser Gefährt ist. Sind wir vielleicht schon zu lange in Süd-Ost-Asien hatten wir ehrlicherweise etwas anderes erwartet. Im Flugzeug sitzen wir am Notausgang, mehr Beinfreiheit! Jasmin hasst fliegen nach wie vor, natürlich ist der Flug unruhig. Dominik lacht, niemals zuvor hat er so viele Flüge mit Turbulenzen gehabt, Jasmin kennt fliegen kaum anders. Das erstbeste Taxi bringt uns zu unserer Unterkunft für die nächsten zwei Nächte. Es liegt ein wenig fern ab, ist dafür aber günstig, hat hilfsbereite Gastgeber und ist wirklich authentisch. Wir mögen die Nachbarschaft, es gibt nur wenige Touristen. Das Zimmer ist neu, sowohl am Baustaub als auch am Baulärm über uns zu erkennen. Egal, hier sind wir nicht zum Ausspannen, sondern zum Vorbereiten für Japan. So lassen uns auch die Rinnsale an Regenwasser am ersten Abend völlig entspannt bleiben. Das neue Haus scheint nicht dicht zu sein. Wir zeigen den Besitzern die Risse in den Wänden, mehr um ihr Haus besorgt als um unsere trockenen Füße. Ein paar Handtücher als Staudamm sind die Lösung. Mutig befreit uns der älteste Gastgeber noch von einer Kakerlake mit bloßer Hand – wir sind tief beeindruckt. Wir essen noch einmal in den besten Garküchen und schleichen bei 36 Grad durch die Stadt.

Achten wir bei Urlaubsreisen auf sinnvolle Flugzeiten, war bei unseren drei Monaten backpacken nur der Preis entscheidend. Trotzdem sind wir ein wenig überrascht, als wir unsere Abflugzeit sehen – 02:00 Uhr nachts, da herrscht in Deutschland Flugverbot. Wir verbringen den Tag im klimatisierten Einkaufszentrum. Dominik braucht noch eine neue Hose, die alte hat sich selbst aufreizende Belüftungsschlitze zugelegt. Es ist das merkwürdigste und kleinste Shopping Centrum unserer Reise, dafür hat es einen hervorragenden Food Court. Das Essen ist umwerfend und trotzdem träumen wir schon von Japan. Die Vorfreude ist so groß, wie bei keinem anderen Land. Wir schaffen es bis 18:00 Uhr Zeit zu vertrödeln, essen noch einmal am liebgewonnen Straßenstand zu Abend und lassen uns vom Gastgeber ein Taxi rufen.  Es ist deutlich günstiger als auf der Hinfahrt. Der älteste Gastgeber bringt uns sogar bis zum Auto, kein Taxi, vermutlich Grab. Es dauert bis wir starten, offensichtlich ist nicht klar, dass es zum Flughafen geht, aber wir haben ja noch ein paar Stunden, um dort anzukommen.

Wer fünf Stunden vor Abflug erscheint, darf natürlich noch nicht einchecken. Wir finden eine gemütliche Sitzecke, leider mit frontalem Polarwind aus der Klimaanlage. Mit Mütze, Jacke und Tuch bereits griffbereit für Japan, sitzen wir in Ho Chi Minhs Flughafenhalle. Nur die zunehmende Schlange am Check-In Schalter lässt uns ein wenig stutzen. Jeder Reisende hat mindestens zwei Pakete auf seinem Trolley gestapelt. Ist das ein Frachtflug? Am Ende besteht die komplette Schlange aus Paketwagen und nur einer Handvoll Touristen mit Koffern. Die Pakete haben meist amerikanische Adressen, keine Ahnung was hier verschifft wird. Anstehen muss man hier allerdings nicht selbst, offensichtlich übernehmen das gegen Bezahlung auch Angestellte. Nach 1,5 Stunden dürfen auch wir unsere Backpacks aufgeben. Warten ist auch eine Art die Zeit rumzukriegen. Wir sind bereit Vietnam zu verlassen. Haben uns Thailand und vor allem Laos unglaublich gut gefallen, hat Vietnam uns, trotz unglaublicher Gastfreundschaft nicht so recht verzaubern können. Vermutlich hätte unsere Route eher durch den Norden führen sollen, vielleicht beim nächsten Mal.

Der erste Flug dauert nur 3 Stunden, da bleibt nicht viel Zeit zum Schlafen. Noch weniger als wir realisieren, dass wir nach einer Stunde Flugzeit Essen serviert bekommen. Wer isst bitte um 03:00 Uhr nachts? Entscheidet man sich doch für die Nachtruhe, bekommt man einen Aufkleber auf den Sitz und darf bei späteren Hungergelüsten die Stewardess um seinen nächtlichen Snack bitten. Super. Uns fallen nur kurz die Augen zu, der Flug ist trotz riesiger Maschine zu unruhig. Gegen 07:00 Uhr Ortszeit landen wir in Taiwan und sind unfassbar müde. Wir schleppen uns zu unserem Gate, fallen jeder auf einen der Lounge Möbel und schlafen Beide knappe 90 Minuten. Dominik erwacht als Erster und organisiert Kaffee und ein warmes Käsesandwich. Ein warmes Käsesandwich! Langsam vermissen wir den Geschmack von manchen Lebensmitteln.

Der zweite Flug ist unglaublich schön. Eine große Maschine gefühlt nur für uns. Ein kleiner Film versüßt uns die Zeit, es sind nur weitere drei Stunden bis Japan, sogar das Flugzeugessen schmeckt. Völlig übermüdet, hibbelig und aufgekratzt starren wir aus dem Fenster während des Landeanflugs. Vor uns liegen knapp zwei Wochen Japan.